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Hamburg: Baugenossenschaften im Nationalsozialismus

Inhaltsverzeichnis

  1. Die Baugenossenschaften im „Systemwechsel“
  2. Die Gleichschaltung: Vereinnahmung für die Volksgemeinschaft
  3. „Organe“ der Wohnungspolitik – Politische Instrumentalisierung: Bedingte Eigenständigkeit und politische Instrumentalisierung
  4. Die Baugenossenschaften im Krieg
Die Baugenossenschaften im Krieg

Infolge des Angriffs auf Polen im September 1939 wurde die ohnehin beschränkte private Bautätigkeit weiter rechtlich begrenzt und 1943 schließlich ganz verboten. Stattdessen propagierte die Politik, vornehmlich DAF-Führer Robert Ley, immer aberwitzigere Versprechen über einen Wohnungsbau gewaltigen Ausmaßes nach dem Endsieg. Auch die Baugenossenschaften sollten als „Organe“ dieses Zweckes eingespannt werden.

Maßgeblich hierfür war das am 29. Februar 1940 erlassene Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz, das den zuständigen staatlichen Stellen weitgehende Eingriffsmöglichkeiten in die Struktur der Baugenossenschaften gestattete. Insbesondere sollten gemeinnützige Bauvereine, die keine aktive Bautätigkeit vorweisen konnten, sanktioniert oder zwangsweise verschmolzen werden. Damit sollte schon während des Krieges das gemeinnützige Bauwesen in wirtschaftlich starken Unternehmen zentriert werden, damit diese nach dem Endsieg den Wiederaufbau leisten könnten. Wie der Leiter des Verbands Norddeutscher Wohnungsunternehmen betonte, war auch die Frage des Wohnungsbaus eine „totale Aufgabe“1Völschau, Walter: Die Voraussetzungen der Leistungssteuerung im gemeinnützigen Wohnungswesen, in: Reichsverband des Deutschen Gemeinnützigen Wohnungswesens (Hg.): Jahrbuch des deutschen gemeinnützigen Wohnungswesens : ein Leistungsbericht (1939), Berlin 1940, S. 175–193, S. 181., die keine Kompromisse kennen durfte. Für kleinere Genossenschaften bedeutete dies, im Namen der Volksgemeinschaft ihre Existenz aufzugeben. Die Entscheidungshoheit über Maßnahmen lag in letzter Instanz den Gauwohnungskommissaren, seit November 1940 identisch mit den Gauleitern. Das Schicksal der hamburgischen Baugenossenschaft hing damit letztlich vom Willen Karl Kaufmanns ab.2Mit Erlass vom 15.11.1940 waren alle Gauleiter, in Hamburg also Karl Kaufmann, zu Gauwohnungskomissaren ernannt worden. Dem folgte im November 1943 die Aufforderung zur Erstellung sogenannter „Verschmelzungspläne“, deren Auswirkungen noch unerforscht sind. Haben: Berliner Wohnungsbau 1933-1945, S. 555–556, 651.

So wie diese Plakette der Hansa erinnern überall in Hamburg Schilder an Zerstörung und Wiederaufbau alter genossenschaftlicher Häuser.
Erstmals 1942 von allierten Bombern angeflogen, wurde Hamburg durch die Operation Gomorrha im Juli 1943 großflächig zerbombt.
 

Ein Hamburger-Beispiel für die Konsequenzen dieser Politik liefert erneut die Baugenossenschaft Barmbeck, welche sich aufgrund ihres geringen Wohnungsbestandes zur Vereinigung mit der benachbarten Baugenossenschaft Rübenkamp entschloss; „freiwillig“ um eventuellen Zwangsmaßnahmen zuvorzukommen. Insgesamt mangelt es aber noch an systematischer Forschung darüber, in welchem Ausmaß Genossenschaften infolgedessen zu Fusionen gedrängt wurden. Ebenso ist unklar, in welchem Maße diese Verschmelzungen als Instrument genutzt wurden, um sich politisch unliebsamer Genossenschaften endgültig zu entledigen. Ungeachtet des Kriegsverlaufs hielten die zuständigen Stellen an ihren Plänen fest, in Einzelfällen wurden noch bis in den Winter 1944 hinein Verschmelzungen beantragt. Zu diesem Zeitpunkt waren ein Großteil der Baugenossenschaften nur noch Schatten ihrer Selbst. Die alliierten Bombenabwürfe, allen voran Operation Gomorrha im Juli 1943, hatten nach Schätzungen zwischen 250.000 und 300.000 Wohnungen zerstört.3In der Literatur existieren unterschiedliche Angaben. So spricht K.C.Führer von 242.000 Wohnungen, während Nörnberg und Schubert auf Grundlage von Zählungen aus dem Jahr 1948 296.000 Wohnungen nennen. Führer: Meister der Ankündigung, S. 442–443; Nörnberg, Hans-Jürgen/Schubert, Dirk: Massenwohnungsbau in Hamburg: Materialien zur Entstehung und Veränderung Hamburger Arbeiterwohnungen und -siedlungen 1800 – 1967, Westberlin 1975 (Analysen zum Planen und Bauen 3), S. 197. Gerade die Arbeiterviertel wurden in schwere Mitleidenschaft gezogen, ein großer Teil des genossenschaftlichen Häuserbestandes wurde zerstört. Viele Genoss*innen waren verstorben, obdachlos geworden oder mussten ganz aus der Stadt fliehen. Diejenigen, die in Hamburg verblieben, konnten nur noch in den Luftschutzkellern ohnmächtig auf das Kriegsende hoffen.

Die Ankunft alliierter Truppen am 3. Mai 1945 muss für viele Genoss*innen daher eine bittere Freude gewesen sein. Der Krieg war endlich vorbei, doch standen sie auf den buchstäblichen Trümmern ihrer Existenz. Doch in den kommenden Wochen sollte sich zeigen, dass es den Nazis nicht vollends gelungen war, den genossenschaftlichen Geist in ihrem Sinne zu verändern. So trat in der Barmbeck eine Widerstandsgruppe hervor, die den aufgezwungenen Vorstand beseitigte und aus der Genossenschaft warf. Die Deutscher Arbeiter ließ ohne Umschweife ihren erzwungenen Namen fallen und konnte sich endlich wieder Freie Gewerkschaft nennen. Es scheint, dass der genossenschaftliche Gedanke in den Mitgliedern dieser Vereine überlebt hatte und nun endlich wieder offen zutage treten konnte. Daneben gibt es aber auch viele Beispiele für Baugenossenschaften, in denen sich personell nach Kriegsende kaum etwas verändern würde. Die Gremien blieben größtenteils bestehen und die Geschäfte gingen weiter wie bisher – insofern dies angesichts der Kriegsfolgen überhaupt möglich war.

Fußnoten[+]

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