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Und jetzt, Felix Zimmermann?

Obwohl die Bandbreite beruflicher Möglichkeiten mit einem Geschichtsstudium schier unendlich ist, stehen nicht nur an dem Studium interessierte Personen, sondern auch so manche*r Absolvent*in vor dieser Frage. Wir haben Felix Zimmermann gefragt: was macht man mit einem Geschichtsabschluss?

Felix Zimmermann
 

1.  Kannst du dich in einigen Worten kurz vorstellen?

Mein Name ist Felix Zimmermann, aktuell bei der Bundeszentrale für politische Bildung tätig, vorher studiert und promoviert in Münster und Köln. Ich beschäftige mich seit ca. 10 Jahren zunehmend professionell mit der Games-Kultur, besonders, indem ich (wissenschaftlich) über sie schreibe.

2. Wie bist du auf ein geschichtsbezogenes Studium gekommen?

Ich hatte Geschichte als Leistungskurs in der Oberstufe und hatte große Freude daran, lange Klassenarbeiten zu geschichtswissenschaftlichen Fragestellungen zu schreiben. Meine Geschichtslehrerin hat das damals auch sehr unterstützt, mir aber trotzdem von einem Geschichtsstudium abgeraten, weil das ja tendenziell in die Arbeitslosigkeit führen würde. Ich habe mir diesen Rat dann aber nur teilweise zu Herzen genommen: Geschichte habe ich zwar studiert, aber mit der Kommunikationswissenschaft noch ein vermeintlich ‚aussichtsreicheres‘ Fach im Zwei-Fach-Bachelor dazu genommen.

3. Wo hast du Geschichte studiert und was waren deine Schwerpunkte und Interessen?

An der Universität Münster habe ich im Zwei-Fach-Bachelor Geschichte und Kommunikationswissenschaft studiert. Letzteres Fach hat mich mit seinen zahlreichen Klausuren abgeschreckt. Die Hausarbeiten im Fach Geschichte zu schreiben, hat mir wiederum große Freude bereitet. Ein Schwerpunkt ließ sich da noch kaum identifizieren, da ich Basis- und Aufbaumodule in Antike, Mittelalter und Neuzeit belegen musste. Bestenfalls lässt sich sagen, dass mir die Zeitgeschichte damals schon am besten gefallen hat. In einem Seminar hatte ich auch schon das Spiel Assassin’s Creed im Rahmen eines Referats vorgestellt, daran erinnere ich mich noch. Darüber hinaus haben Games im Bachelor noch keine größere Rolle gespielt.

Für den Master bin ich dann nach Köln gewechselt. Dort wurde zu diesem Zeitpunkt (2015) der neue Masterstudiengang Public History aufgebaut bzw. die Masterstudienrichtung. Auf dem Papier habe ich einen Master in Neuerer und Neuester Geschichte gemacht, der aber auf den Aspekt der Geschichtsvermittlung fokussiert wurde. Im Nachhinein betrachtet war das wirklich ein großes Glück, dass ich Teil des ersten Jahrgangs der Public History in Köln werden konnte, weil ich dort viele Freiheiten hatte, um mich mit der Rolle von Games in der Geschichtsvermittlung auseinanderzusetzen. Es war z.B. kein Problem, in einem Seminar zu populären Holocaustdarstellungen eine Hausarbeit über das Spiel Wolfenstein: The New Order zu schreiben. Diese Offenheit in Bezug auf die möglichen Untersuchungsgegenstände war entscheidend, sodass sich hier im Master mein Schwerpunkt wirklich ausbilden konnte.

4. Hattest du von Anfang an bestimmte Vorstellungen für die spätere Berufswahl? Und wenn nicht: Haben sich deine Berufswünsche mit der Zeit entwickelt oder war das nach deinem Studium noch völlig offen für dich?

Ich hatte lange mit dem Journalismus geliebäugelt. Während des Bachelorstudiums hatte ich auch schon angefangen, beim Campusradio Radio Q und beim WDR zu arbeiten. Viele Studierende der Kommunikationswissenschaft hatten Ambitionen in Richtung Journalismus, damit war ich also keineswegs allein. Ich hätte mir zu diesem Zeitpunkt sowohl Games- wie auch Geschichtsjournalismus vorstellen können.

Wissenschaftler zu werden, wurde für mich erst im Masterstudium eine Option, als ich begann, überhaupt so etwas wie ein Forschungsprofil auszubilden. Der Arbeitskreis Geschichtswissenschaft und Digitale Spiele (AKGWDS), dem ich während des Masterstudiums beitrat, tat sein Übriges, mich darin zu bestärken, in diese Richtung zu denken. Trotzdem war das Berufsfeld Journalismus lange Zeit offen. Nach dem Masterstudium hatte ich mich sogar auf ein Volontariat beim WDR beworben, wurde aber im Zuge des Assessment-Center-Bewerbungsprozess nicht genommen. Ich nachhinein war das natürlich auch ein Glücksfall, weil ich mich dann auf ein Promotionsstipendium bei der a.r.t.e.s. Graduate School for the Humanities Cologne bewarb und so über insgesamt 3,5 Jahre promovieren konnte. Also: Das war ein fließender Prozess und meine Berufswünsche mussten sich regelmäßig an die Realität der Situation anpassen. Ich bin zufrieden damit, wie es gelaufen ist, aber es gab sicherlich ein paar Abzweigungen, an denen ich auch ganz anders hätte abbiegen können.

5. Hättest du dich am Anfang deines Studiums dort gesehen, wo du gerade beruflich stehst?

Auf keinen Fall. Die Bundeszentrale für politische Bildung war mir aus dem Geschichtsunterricht und Geschichtsstudium allzu gut bekannt, aber schien mir immer unerreichbar. Auch eine Promotion erschien mir völlig utopisch – ich hatte nicht das Gefühl, gut genug dafür zu sein. Der Zuspruch von Familie und Freunden, aber besonders auch vom AKGWDS hat mir das Selbstvertrauen gegeben, die Promotion zu versuchen.

6. Kannst du deinen beruflichen Werdegang nachzeichnen und wie du Referent für Games-Kultur bei der Bundeszentrale für politische Bildung geworden bist?

Da ich während der Promotion von der Graduiertenschule ein Stipendium bekam, hatte ich die Möglichkeit, mich neben der Arbeit an der Dissertation noch in alle möglichen anderen Projekte einzubringen, besonders – wieder – vom AKGWDS. Nach und nach ist dann auch die Zahl meiner Twitter-Follower gewachsen, ich habe Interviews gegeben, auch mal eher essayistische oder journalistische Texte z.B. zum Deutschen Computerspielpreis oder für das WASD-Magazin geschrieben und wissenschaftliche Vorträge gehalten sowie Aufsätze veröffentlicht. Das wäre nicht möglich gewesen – zum einen – ohne die finanzielle Unterstützung von a.r.t.e.s. und – zum anderen – ohne das Vertrauen von AKGWDS-Mitgliedern wie Eugen Pfister, Tobias Winnerling und Nico Nolden. So habe ich ja überhaupt erst die Chance bekommen, mich ‚aufs Radar‘ der geschichtswissenschaftlichen Game Studies zu bringen.

Als ich dann gerade in den letzten Zügen meiner Dissertationsarbeit war, tauchte die Stellenausschreibung bei der bpb auf. Das passte einfach zu gut, ich musste mich einfach bewerben. Einige Kolleg*innen schrieben mich sogar direkt auf Twitter an, um mich auf die Stelle hinzuweisen: „Das ist doch was für dich!“. Unterstützung und Vertrauen von meinen Kolleg*innen waren also auch hier wieder entscheidend. Und schlussendlich war für die bpb dann vermutlich ausschlaggebend, dass ich mein Profil in der Games-Community bereits entwickelt hatte und sie so einen gut vernetzten Mitarbeiter einstellen konnten, der sich Feld der Game Studies sehr gut auskennt.

7. Was sind die Aufgaben in deiner aktuellen Tätigkeit?

Ich erweitere den Games-Bereich, den es bereits in der bpb seit einigen Jahrzehnten gibt (siehe z.B. spielbar.de). Konkret baue ich den Unterbereich „Games und Extremismus“ neu auf, d.h. ich entwickle Projekte, um das Spannungsfeld von Games-Kultur und extremistischer Einflussnahme besser verstehen und politisch bildend aktiv werden zu können, um Games-Communitys resilienter gegen solche Einflussnahme zu machen.

8. Was ist das Besondere an deiner Arbeitsstätte und was hat dich dazu bewogen, dich auf diese Stelle zu bewerben?

Die Bundeszentrale ist eine sehr renommierte Arbeitgeberin, die ihren Mitarbeitenden große Gestaltungsmöglichkeiten bietet und die mit ihren Angeboten die politische Bildungslandschaft in Deutschland wie kaum eine zweite Akteurin mitgestaltet. Die Arbeit bei der bpb hat Perspektive und Sinnhaftigkeit und das hat mich besonders gereizt. Ich wollte weiter mit Games arbeiten, aber dabei auch das Gefühl haben, einen Beitrag zu einer besseren Gesellschaft zu leisten.

9.  Was würdest du (Geschichts-)studierenden bezüglich der Berufsoptionen mit auf den Weg geben wollen?

Kollaborationen und Netzwerke sind entscheidend. Das klingt wie eine alte Leier, stimmt aber weiterhin. Ich verstehe Netzwerke allerdings derart, dass man danach streben sollte, Menschen um sich zu scharen, mit denen man gerne zusammenarbeitet, die einen unterstützen und die einem Selbstvertrauen geben können. Sich ein solches Netzwerk aufzubauen in dem Themenfeld, in dem man sich bewegen möchte, halte ich für entscheidend.

Allerdings möchte ich auch keinen Hehl daraus machen, dass bei mir wirklich viele Dinge sehr glücklich verlaufen sind: der neu geschaffene Public-History-Studiengang, der noch junge AKGWDS, der mich aufgenommen hat, das a.r.t.e.s.-Stipendium und überhaupt die wachsende Bedeutung von Games in der Gesellschaft, die dazu geführt hat, dass überhaupt ein Interesse an meiner Arbeit bestand. Neben den Menschen, die mich unterstützt haben, hat es also auch viel mit Glück, Zufall – oder wie auch immer man das nennen möchte – zu tun, dass ich jetzt bei der bpb arbeiten kann. Ich habe eine sehr spezifische Nische gefunden, in der ich genau jetzt gebraucht werde – zu einem anderen Zeitpunkt hätte das vielleicht anders ausgesehen. Das ist schwierig planbar.

Wenn das nicht geklappt hätte? Vermutlich wäre ich als klassischer ‚Generalist‘ dann doch eher im journalistischen Bereich untergekommen. Diese Offenheit für Alternativen bzw. einen Plan B braucht es dann vermutlich doch.