Hamburgs Geschichte ist bis heute eng mit dem Hafen und den dort gehandelten Waren verbunden – im Positiven wie im Negativen. Neben Tabak und Kakao war Kaffee der Importschlager des Kaiserreichs. Abgesehen von seiner stimulierenden Wirkung war es vor allem die ‚exotische‘ und rassistische Bewerbung, wegen der sich der Kaffee großer Beliebtheit erfreute.
Der Weltmarkt für Kaffee entwickelte sich durch die aufkommende Nachfrage im 18. Jahrhundert. Erstmals entdeckten Fernhändler*innen in Asien den Kaffee und brachten ihn Mitte des 17. Jahrhunderts nach Europa. Schon bald wurde Kaffee eine luxuriöse Alternative zu Wein an den Höfen Europas. Als die Zeit der europäischen Aufklärung anbrach, kam dem Kaffee, der im Hamburger Hafen anlandete, eine besondere Rolle zu: In Kaffeehäuser trafen sich Menschen mit liberalen Ideen, da dort ungestörte Zusammenkünfte und Diskussionen über Politik und Gesellschaft möglich waren. So wurden auch Hamburger Kaffeehäuser, von denen das erste bereits 1687 eröffnet wurde, zu öffentlichen Treffpunkten von Vertretern der bürgerlichen Bewegung. Voltaire, als bekannter Philosoph der Aufklärung, trank Kaffee und meinte, dass nach dem jahrhundertelangen Trinken von Bier und dem damit verbundenen leichten Rausch, die Nüchternheit und Klarheit des Kaffees sehr willkommen sei. Die Pflanze aus den Tropen wurde Symbol der fortschrittlichen Denkweise; doch die Bedingungen auf den Plantagen jedoch kaum angesprochen. Denn der Genuss jeder Tasse Kaffee war untrennbar mit der Ausbeutung der versklavten Afrikaner*innen verbunden. Ohne die Ausbreitung der Kolonien und den Imperialismus hätte die Verbreitung des Kaffees nicht stattgefunden.
Genuss über die Schichten hinweg
Doch nicht nur die Oberschicht goutierte das Getränk. Schon bald wurde die stimulierende Wirkung des Kaffees entdeckt. So verbreitete er sich auch in der arbeitenden Klasse des 19. Jahrhunderts als eine leistungssteigernde Bereicherung und schnell zubereitete Ergänzung des Speiseplans. Brot und Kaffee waren die Antriebe der Arbeiter*innen, die das heiße Getränk sowohl im Arbeitsalltag als auch zuhause genossen. Erschwinglich war das Luxusprodukt Kaffee oftmals nur, wenn es mit anderen Pflanzen gestreckt wurde. Damit hielt die koloniale Welt auch im Leben der Arbeiter*innen Einzug. Firmen warben damit, dass auch ärmere Leute an der versprochenen Annehmlichkeit des Kaffees aus einer fernen tropischen Welt Teil haben könnten. Dass dieser nicht der reine Bohnenkaffee war, den wohlhabende Leute tranken, behinderte den Verkauf nicht. Geworben wurde damit, dass die Ersatzmittel die Qualität nicht verschlechtern würden. Mit dem Image, dass das Produkt mit der kolonialen Vorstellung verband, wurde die Arbeiter*innenschicht erfolgreich zum Kauf angereizt. Wurden anfänglich noch Beschwerden laut, die Röstung der Bohnen würde die Stadt unschön riechen lassen, erfreute sich der Kaffee bald großer Beliebtheit. Während Arbeiter*innen ihn tranken, um der Ermüdung entgegen zu wirken, wurde Ende des 19. Jahrhunderts in bürgerlichen Häusern das Getränk bevorzugt bei Besuch serviert. Auch in Hamburger Kleinfamilien kam dem Kaffee die gemeinschaftsstiftende Bedeutung zu, dass er im Zeichen der Gastfreundschaft warm und wohlig wirken sollte. Das gesellige Beisammensein wurde dadurch ergänzt und Kaffee gewann eine zentrale Funktion in der bürgerlichen Welt.
Luxus aus ‚der Ferne‘
Bis heute gilt der Hafen den Hansestädter*innen als Symbol für Weltoffenheit und der Möglichkeit, ferne Länder kennenzulernen. Das von ‚der Fremde‘ und ‚dem Anderen‘ ein gewisser Reiz ausging, lässt sich wohl auch daran ablesen, dass die Werbung von Kaffeemarken die exotische Herkunft des Kaffees anspricht. Deutschlands eigene besetzte Gebiete in Afrika bauten zur Zeit des Kaiserreichs zwar nur spärlich Kaffee an, jedoch wurde etwa im „Deutschen Kolonialhaus“ der sogenannte „Usumbara-Kaffee“ verkauft. Usumbara, eine Gegend im heutigen nördlichen Tansania, wurde 1885 von der „Gesellschaft für Deutsche Kolonisation“ erworben und später in die Kolonie „Deutsch-Ostafrika“ eingegliedert. Die Werbung der Kaffeefirmen bediente sich dabei stereotypischer rassistischer Merkmale der Einwohner*innen der Kolonien und verklärte ihre Lebensumstände. Im Kontrast zu dem sonst ‚normal‘ erscheinenden Alltag weckte das beworbene Produkt eine Sehnsucht und versprach eine Atmosphäre von Annehmlichkeit, die so nur über den Genuss des weit gereisten Kaffees zu erhalten sei. Der „Mohr“ ist dabei ein Symbol, das früh zur Bewerbung von kolonialen Waren genutzt wurde. Als typische Figur der Kolonialwaren wurde er in der Werbung des späten 19. Jahrhundert als Gegensatz zum bürgerlichen Leben dargestellt. Exotik und Andersheit sollte hervorgehoben werden, Klischees wurden angesprochen und das Vorwissen um die vermeintlichen Gegebenheiten in den Kolonien wurde bei den potentiellen Käufer*innen vorausgesetzt. Beides half zu suggerieren, dass Kaffee etwas Wunderbares vom anderen Ende der Welt sei. Nachdem die Zeit der deutschen kolonialen Bestrebungen im Ersten Weltkrieg zu Ende ging, wurde der „Mohr“ schließlich als Verbindung in die ‚gute, alte Zeit‘ gesehen. Werbungen nutzten diese Sehnsucht, wodurch Marken durch koloniale Elemente im Vertrieb die Sentimentalität der Käufer*innen wachriefen. Bei den Arbeiter*innen des Kaiserreichs hielt sich zwar anfangs das Konzept der Sehnsucht und des Fernwehs in Grenzen. Stattdessen wurde der Kaffeegenuss als Anteilnahme am gesellschaftlichen Leben gesehen und bildete somit eine gewisse Art von Luxus. Die Werbung, die sich an die ärmeren Menschen Hamburgs wendete, nutzte dies. A.L. Mohr, eine in Altona-Bahrenfeld ansässige Firma, vertrieb Ersatzprodukte, wie zum Beispiel Margarine anstelle von Butter. Auch Kaffee wurde mit ins Angebot aufgenommen: Geworben wurde mit der Aussage, dass gestreckter Kaffee ebenso gut, wenn nicht sogar besser als gewöhnlicher sei. Auch hier wurde der „Mohr“ als Zeichen für die Authentizität des Kaffees genutzt, der Hintergrund zeigt eine orientalisch-anmutende Landschaft, die das Produkt mit dem vermeintlich wahren Entstehungsort kontextualisiert.
Aufschwung des Kaffeehandels
Hamburg war für den Kaffeehandel der Umschlagplatz des europäischen Kontinents. Durch die Gründung des Deutschen Reichs 1871 wurde die Industrie und Entwicklung der Wirtschaft weiter vorangetrieben und der Handel einfacher: Hamburgs Freihafen, der die zollfreie Einfuhr und Verarbeitung ermöglichte, verschaffte der Stadt gegenüber anderen Bewerber*innen einen entscheidenden Vorteil. Hamburg profitierte durch den Handel über den Hafen ungemein– nicht zuletzt finanziell. Denn neben der Industrie für die Verarbeitung der Bohnen zum gemahlenen Pulver wurden in Hamburg Banken und Reedereien gegründet, Transportunternehmen und Versicherungen ließen sich nieder. Es entwickelte sich der europäische Markt für Kaffee und die dahinterstehende Ökonomie und Vermarktung. Aus Röstereien wurden allmählich Fachgeschäfte; Kaufleute sahen ihre Chance in dem Verkauf durch Kaffeespezialgeschäfte und entwarfen eigene Marken und Werbung, um Käufer*innen zu gemahnen, welche Sorte die beste sei.
Kolonialismus prägte den Hamburger Kaffeehandel
Schließlich lässt sich sagen, dass dem Kaffee eine identitätsbildende Wirkung zugeschrieben werden kann. Wer ihn trinkt, genießt dabei ein Produkt, das einen weiten Weg hinter sich hat und deshalb einen besonderen Status hatte. Werbung war dabei elementar, denn sie zeigte den Käufer*innen die vermeintliche Schönheit der kolonialen Welt. Ein netter Nebeneffekt: Die Verklärung der kolonialen Herrschaft wurde über die Kaffeewerbung gleich mitvermarktet. Neben der Bedeutung des Kaffees als Alltagsgetränk war auch seine wirtschaftliche Bedeutung für Hamburg ausschlaggebend. Der Handel mit den Bohnen und die Verarbeitung zu dem fertigen Produkt ließ viele Kaufleute reich werden und Geschäfte aufblühen. Und für die Hamburger*innen war Kaffee mehr als ein Getränk: Als Verbindung zwischen dem europäischen Kontinent und der Welt der Kolonien erfüllte er einen kleinen Teil der Träume, sich ein Stück der ‚exotischen Ferne‘ ins eigene Wohnzimmer zu holen.
Literatur:
- Krieger, Martin: Kaffee. Die Geschichte eines Genussmittels, Köln 2011.
- Langbehn, Volker: Der Sarotti-Mohr, in: Zimmerer, Jürgen (Hg.): Kein Platz an der Sonne. Erinnerungsorte der deutschen Kolonialgeschichte, Frankfurt; New York 2013, S. 119-133.
- Sandgruber, Roman: Bittersüße Genüsse. Kulturgeschichte der Genussmittel, Wien 1986, S. 82-90.
- Weber, Klaus: Die Admiralitätszoll-und Convoygeld-Einnahmebücher. Eine wichtige Quelle für Hamburgs Wirtschaftsgeschichte im 18. Jahrhundert, in: Tode, Sven und Hatje Frank (Hg.): Hamburger Wirtschafts-Chronik. n. Folge [Bd. 1], Hamburg 2000, S. 104-121.
- Wendt, Reinhardt: Die Südsee, in: Zimmerer, Jürgen (Hg.): Kein Platz an der Sonne. Erinnerungsorte der deutschen Kolonialgeschichte, Frankfurt; New York 2013, S. 41-67.
Studiert im Master Geschichtswissenschaften an der Humboldt-Universität zu Berlin. Seine Arbeitsschwerpunkte sind Deutsche Geschichte, Public History sowie Kultur-und Gewaltgeschichte.