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Und jetzt, Anke Büttgen?

Obwohl die Bandbreite beruflicher Möglichkeiten mit einem Geschichtsstudium schier unendlich ist, stehen nicht nur an dem Studium interessierte Personen, sondern auch so manche*r Absolvent*in vor dieser Frage. Wir habenAnke Büttgen gefragt: was macht man mit einem Geschichtsabschluss?

Anke Büttgen
 

1. Kannst du dich kurz vorstellen?

Mein Name ist Anke Büttgen, ich bin 35 Jahre alt und lebe nun als Exilrheinländerin seit 15 Jahren in Norddeutschland. Seit nun fast 8 Jahren arbeite ich als Bildungsreferentin für den Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge. Besonders spannend und herausfordernd finde ich das Zusammenspiel von Forschung und Vermittlung im schulischen und außerschulischen Feld. Abwechslungsreich sind besonders die verschiedenen Zielgruppen.

2. Wie bist du auf ein geschichtsbezogenes Studium gekommen?

Ich habe mich eigentlich schon immer für Geschichte interessiert und habe die Gespräche mit meiner Oma über ihre Erlebnisse während des Krieges immer sehr spannend gefunden.

Im Laufe meiner Schulzeit entwickelte ich zunehmend Interesse für Militärgeschichte. Vor allem der Zweite Weltkrieg hat mich fasziniert. Die Kleinstadt, in der ich zur Schule gegangen bin, wurde während des Krieges zu nahezu 100 Prozent zerstört, der Hürtgenwald liegt nur wenige Kilometer entfernt und mein Großonkel galt lange Zeit als verschollen. Auf dem kleinen Friedhof in meinem Heimatdorf gab es zudem einige Kriegsgräber und ein Denkmal für die Gefallenen des Dorfes. Das Gedenken an die Einwohner, die den Krieg nicht überlebten, war in unserem Dorf immer sehr präsent. Für mich stand sehr früh in der Schulzeit fest, dass ich einmal Geschichte studieren möchte. Ein anderes Fach stand für mich eigentlich nie zur Debatte.

3. Wo hast du Geschichte studiert und was waren deine Schwerpunkte und Interessen?

Ich habe in Bremen meinen Bachelor in Geschichte gemacht und bin dann für den Master Kulturanalysen nach Oldenburg gegangen. Ich hatte während des Bachelors Glück, dass jedes Semester Veranstaltungen angeboten wurden, die sich mit militärhistorischen Themen befassten. Das wurde sehr schnell zu meinem Schwerpunkt. Interessant fand ich auch immer die Kultur und Geschichte Osteuropas, hier war die Uni Bremen auch sehr gut aufgestellt.

Neben dem wissenschaftlichen Arbeiten, hatte ich auch immer Spaß daran Menschen für historische Themen zu begeistern. Ich habe nicht auf Lehramt studiert, wollte aber gern in die Vermittlung, ohne direkt an eine Schule gebunden zu sein. Daher bot sich der Masterstudiengang Kulturanalysen in Oldenburg an, da ein Schwerpunkt hier die Vermittlung sozialwissenschaftlicher und historischer Themen ist.

4. Hattest du von Anfang an bestimmte Vorstellungen für die spätere Berufswahl? Und wenn nicht: Haben sich deine Berufswünsche mit der Zeit entwickelt oder war das nach deinem Studium noch völlig offen für dich?

Zu Beginn meines Studiums habe ich mich eigentlich in der Wissenschaft gesehen. Trotzdem hat mir die Vermittlung immer sehr viel Spaß gemacht. Ich liebe es auch heute noch Menschen in den „historischen Bann“ zu ziehen. Es wurde auch recht schnell klar, dass eine Kombination aus beidem, also Forschung und Vermittlung, ideal wäre.

5. Hättest du dich am Anfang deines Studiums dort gesehen, wo du gerade beruflich stehst?

Vielleicht nicht direkt auf der Position, auf der ich gerade bin, aber auf jeden Fall in diesem Berufsfeld. Mein Arbeitgeber war mir tatsächlich auch als Jugendliche schon ein Begriff, auch wenn ich ihn nur durch die jährliche Sammlung in unserem Dorf kannte.

Am Ende kann ich der Anke, die 2007 ihr Geschichtsstudium begonnen hat und sich in der Kombination „Forschung und Vermittlung“ gesehen hat, sagen: Genau das tust du gerade.


6. Kannst du deinen beruflichen Werdegang nachzeichnen und wie du beim Volksbund deutscher Kriegsgräberfürsorge gelandet bist?

Ich hatte das große Glück, dass ich unmittelbar nach meinem Masterabschluss die Stelle als Bildungsreferentin beim Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge gefunden habe.

7. Was sind die Aufgaben in deiner aktuellen Tätigkeit?

Der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge ist ein gemeinnütziger Verein, das heißt, zu meiner Arbeit gehören nicht nur die Themen Forschung und Vermittlung, sondern auch die Arbeit mit und in Gremien, die Organisation von Gedenkveranstaltungen und Bildungsprojekten mit Jugendlichen innerhalb und außerhalb von Schule, die Organisation von Fortbildungen von Lehrkräften, die Durchführung von Studienfahrten, Organisation von internationalen Jugendbegegnungen und die Teilnahme an Fachtagungen. Auch die Betreuung von Angehörigen und ehrenamtlichen Mitarbeiter*innen gehört zu meinen Aufgaben.

Daneben haben die Bildungsreferenten des Volksbundes die Möglichkeit, aktiv an der Erarbeitung und Erstellung von Bildungsmaterialien (Pädagogische Handreichungen, Ausstellungen, Module) mitzuarbeiten.

Mein Aufgabenfeld ist extrem vielfältig.

8. Was ist das besondere an deiner Arbeitsstätte und was hat dich dazu bewogen, dich auf diese Stelle zu bewerben?

Das Tolle ist, dass kein Tag dem anderen gleicht. Es wird nie langweilig. Wir haben einen großen Gestaltungsspielraum, was die Arbeit sehr angenehm macht. Was viele Menschen nicht wissen: Wenn wir über das Thema Kriegsgräberstätten sprechen, sprechen wir nicht nur über Soldatengräber. Auch Opfer von Zwangsarbeit, Menschen, die in Konzentrationslagern ermordet wurden, oder Menschen, die bei Bombenangriffen ums Leben kamen, haben ein Recht auf ein Kriegsgrab und liegen auf unseren Kriegsgräberstätten bestattet. Ich beschäftige mich täglich mit Biografien unterschiedlichster Menschen und darf unterschiedliche Lebenswege recherchieren und nachzeichnen.

Die Arbeit mit jungen Menschen auf der Kriegsgräberstätte macht mir sehr großen Spaß. Es ist schön zu sehen, wenn aus anfangs gelangweilten Blicken plötzlich interessierte Blicke werden. Wenn Schüler*innen miteinander in Interaktion treten und Fragen stellen. Besonders beeindruckend finde ich die Gespräche in internationalen Gruppen. In Bremen findet (wenn wir nicht gerade in einer Pandemie leben) alle zwei Jahre ein internationales Workcamp statt. Im Sommer treffen sich dann 30 junge Menschen aus 10-15 Nationen in Bremen und beschäftigen sich zwei Wochen lang mit den Themen Krieg, Frieden und Erinnerungskultur. Die Gespräche, die dort geführt werden, sind auf so vielen Ebenen bereichernd und interessant.

Was mich dazu bewogen hat mich auf die Stelle zu bewerben? Die Möglichkeit der Kombination aus Forschung und Vermittlung. Und die Bedeutsamkeit von Frieden und Erinnerung.

9. Was würdest du ehemalige Geschichtsstudierende jungen (Geschichts-)studierenden bezüglich der Berufsoptionen mit auf den Weg geben?

Bleibt dran an dem, was euch interessiert und wofür ihr brennt. Schaut auch über den Tellerrand hinaus und macht euch ein eigenes Bild. Nehmt Praktika als Chancen wahr und nicht als Teil des Studienverlaufsplans. Vermittlung geht nicht nur über das Lehramt.

Vielen Dank!